“Das sind Escape Room Enthusiasten, die werden easy durchkommen“, habe ich gedacht, als ich mit dem Spiel begonnen habe. Nix da! Obwohl die Gruppe bereits unzählige Räume gespielt hat, lief das Spiel schleppend. Komisch, die meisten Enthusiasten kommen bei uns gut durch, wenn sie nicht in eine entscheidende Falle treten. Nagut, manchmal hat man einen schlechten Tag und diese Gruppe war auch nur zu zweit. Aber warum habe ich dann Anfänger, die zu zweit das bestmögliche Ende bekommen und diese Gruppe…
Es gibt eine Art zu denken, die bei klassischen Escape Games funktioniert, aber nicht bei unseren Experience Rooms. Und ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Die Art, wie man bei uns denken sollte, lässt sich besser übertragen, um in der realen Welt Probleme zu lösen. Schauen wir uns doch mal die typischsten!
Alles ist relevant!
Okay, dieser Fehler liegt vielleicht ein bisschen an uns. Oder vielleicht nicht? Unser größter Unterschied zu klassischen Escape Games ist, dass es so realistisch sein soll wie möglich. In den meisten Escape Games gibt es nur Objekte im Raum, die folgende Bewandtnis haben: Entweder ist es Teil eines Rätsels oder eine falsche Fährte. Bei uns gibt es noch eine weitere Komponente: Würde dieses Objekt in der Realität in diesem Setting sein?
Ich verstehe wieso so viele Escape Rooms minimalistisch eingerichtet sind. Tatsächlich haben wir selbst bereits eine Handvoll Objekte aus unseren Räumen genommen, weil von den Spielern Aussagen wie “Wenn wir den Locher nicht bräuchten, wäre er nicht hier” einfach zu oft kam. Normalerweise ist es jedoch unser Anliegen, dass ihr euch wie in einer anderen Welt fühlt. Also wenn da ein Baum steht, dann nicht weil wir ein Versteck brauchten, sondern weil ein Wald ohne Bäume eine Wiese wäre. Und das bringt mich zu meinem nächsten Punkt:
Ooh, shiny!
Deine Aufgabe ist es, aus einem Wald zu kommen. Was tust du? Natürlich untersuchst du jeden Baum, ob dort ein Hinweis ist. Ein Hinweis auf was? Du weißt es nicht, aber es wird dir helfen! So geht niemand im echten Leben an Probleme heran, oder?
Aber so arbeiten sich manche Spieler durch den gesamten Raum. In einem unserer Konzepte steht eine Maschine. Sie ist groß, hat leuchtende Knöpfe und wirkt so außergewöhnlich, dass niemand drum herum kommt, mit ihr zu spielen. Die Spieler sehen sie und MÜSSEN einfach damit interagieren. Wenn man sie sich genauer ansieht, stellt man jedoch fest, dass es überhaupt keinen Grund gibt, damit etwas zu tun. Jedoch gibt es in der Nähe des Geräts einen Hinweis, der eine eurer Aufgaben abschließt und euch in der Geschichte weiterbringt. Alles, was ihr nun tun müsst, ist… Moment mal, seid ihr immer noch an der Maschine dran? Aber die hat im Moment keinen Nutzen!? Egal, sie hypnotisiert mit ihrer Andersartigkeit und darf auf keinen Fall für Später abgehakt werden.
Halt Stopp!
Wer kennt diese Situation nicht? Man will sich gerade am Automaten eine Cola oder ein paar Nüsse für zwischendurch ziehen. Doch das Gerät ist kaputt! Glücklicherweise kommt gerade ein Handwerker, der die Maschine wieder in Betrieb nehmen will. Wie verhalte ich mich in dieser Situation? Wenn du unsere Spieler fragst, dann ignoriert man den Handwerker und versucht das Rätsel um die Maschine selbst zu lösen. Er hat ein Werkzeug, ohne welches man es nicht öffnen kann? Egal, wir wollen keine Hilfe!
Diese Verfahrensweise macht in klassischen Escape Rooms durchaus Sinn, weil der Spielleiter euch nur etwas sagt, was ihr auch alleine hättet herausfinden können.
Der Effekt, der dadurch bei unserem Konzept ausgelöst wird, ist aber folgender: Ich komme als Schauspieler in meiner Rolle herein, um einen wichtigen Punkt der Geschichte zu präsentieren. Die Aufgabe in unseren Räumen ist es, die Story zu verstehen und zu einem Ende zu führen. Stattdessen werde ich von der Gruppe komplett ignoriert, weil diese mit Rätseln beschäftigt ist. Habt ihr von James Bond oder Ethan Hunt schon mal erlebt, dass er die Verbindung zu seinem Team abschaltet, weil er die kritische Informationen über seinen Nemesis lieber allein herausfinden würde?
Wie machen wir es jetzt also besser?
Am Anfang in unserer Einführung fassen wir es mit einem simplen Satz zusammen: “Denkt, wie ihr im echten Leben denken würdet”. Okay, im Rahmen der Einweisung wirkt der Satz zu unscheinbar und trivial. Und wer schon 50 Räume gespielt hat, sieht das ja irgendwie auch als das echte Leben. Das kann ich nachempfinden. Aber was meinen wir wirklich damit? Wie würdet ihr im echten Leben Probleme lösen? Probleme sind sozusagen wie Real World Rätsel mit negativen Konsequenzen. Ihr identifiziert, was euch vom positiven Ausgang der Situation abhält und findet alle Möglichkeiten, die euch der Lösung näher bringen.
Ein simples Beispiel:
Die Aufgabe ist: wie breche ich aus dem Gefängnis aus? Quasi der erste Escape Room der Menschheitsgeschichte.
Im klassischen Escape Room findet ihr die Antwort, indem ihr schaut, welches Rätsel als erstes lösbar ist und macht immer so weiter, bis das letzte Rätsel euch glücklicherweise wie durch Geisterhand zu eurem Ziel führt. Im echten Leben und bei uns solltet ihr so denken:
Was hält uns davon ab, herauszukommen? Ein Wärter, eine verschlossene Tür und eine Mauer da draußen.
Was benötige ich, um herauszukommen? Eine Ablenkung, ein Schlüssel und ein Seil.
Wer kann mich unterstützen? Dein Zellennachbar, ein Informant draußen und die bestechliche Krankenschwester!
Wenn ihr so denkt, kommt ihr besser durch unsere Räume als manche Escape Room Enthusiasten. Und vielleicht durchs Leben. Aber zitiert mich da bitte nicht!